Geschichten

Schätze. Teilen. Berühren.


 

 Wenn ich das Leben noch einmal leben könnte

 

Wenn ich das Leben noch einmal leben könnte, würde ich mir erlauben, mehr Fehler zu machen. Ich würde mich entspannen, ich würde die Dinge lockerer angehen. Ich würde alberner sein als bei dieser Reise. Ich würde weniger Dinge ernst nehmen. Ich würde mehr Chancen ergreifen. Ich würde mehr Berge besteigen, öfter in Flüssen schwimmen und mehr Sonnenuntergänge anschauen. Ich würde mehr Eis und weniger Spinat essen. Vielleicht hätte ich dann mehr wirkliche Probleme, aber dafür weniger eingebildete.

Weiss du, ich bin jemand, die vernünftig lebt, Stunde um Stunde, Tag um Tag.

 

Oh ja, auch ich hatte meine Momente und wenn ich noch einmal von vorneanfangen könnte, würde ich dafür sorgen, dass ich mehr davon hätte. Genau genommen, würde ich versuchen, nichts anderes zu haben. Einfach nur Augenblicke, einen nach dem anderen, anstatt ein Leben lang immer auf die Zukunft zu warten.

 

Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, würde ich im Frühling früher anfangen, barfuss zu gehen, und im Herbst würde ich später damit aufhören. Ich würde öfter tanzen gehen. Ich würde öfter Karussell fahren. Ich würde mehr Gänseblümchen pflücken. Wenn du dich andauernd nur schindest, vergisst du sehr bald, dass es so wunderbare Dinge gibt wie zum Beispiel einen Bach, der Geschichten erzählt und Vögel, die singen.

 

Diese Geschichte stammt von der damals 85-jährigen Nadine Stair

 


 

 Die Geschichte vom Hammer

 

Ein Mann will ein Bild aufhängen. Er hat Nägel nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen Hammer. Unser Mann beschliesst  hinüberzugehen und ihn auszuleihen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüsste er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt und er hat etwas gegen mich.  Aber was? Ich habe ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug ausleihen

 wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloss, weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht es mir wirklich. Und so stürmt er hinüber und läutet. Der Nachbar öffnet. Doch bevor er guten Tag sagen kann, schreit ihn unser Mann an: „Behalten sie ihren Hammer, sie Rüpel!“

 

Von Paul Watzlawick: Anleitung zum unglücklich sein

 


 

Der italienische Conte

 

In Italien kursiert die Geschichte von einem Grafen, der sehr alt wurde, weil er ein Lebensgeniesser par excellence war. Niemals verliess er das Haus, ohne sich zuvor eine Handvoll Bohnen einzustecken. Er tat dies nicht etwa, um die Bohnen zu kauen. Er nahm sie mit, um so die schönen Momente des Tages bewusster wahrnehmen und um sie besser zählen zu können.

Für jede positive Kleinigkeit, die er tagsüber erlebte – zum Beispiel eine nette Konversation auf der Strasse, das Lächeln seiner Frau und Lachen seiner Kinder, ein köstliches Mahl, eine feine Zigarre, einen schattigen Platz in der Mittagshitze, ein Glas guten Weines – kurz: für alles, was die Sinne erfreute, liess er eine Bohne von der rechten in die linke Jackentasche wandern. Manche Begebenheit war ihm gleich zwei oder drei Bohnen wert. Abends sass er dann zu Hause und zählte die Bohnen aus der linken Tasche. Er zelebrierte diese Minuten. So führte er sich vor Augen, wie viel Schönes ihm an diesem Tag widerfahren war und freute sich des Lebens. Und sogar an einem Abend, an dem er bloss eine Bohne zählte, war der Tag gelungen, hatte es sich zu leben gelohnt.

 

aus: Horst Conen, Optimisten brauchen keinen Regenschirm

 


 

Unsere grösste Angst

...ist nicht, unzulänglich zu sein.

 

Unsere grösste Angst ist nicht, unzulänglich zu sein. 

Unsere grösste Angst ist, grenzenlos mächtig zu sein.

Unser Licht, nicht unsere Dunkelheit, ängstigt uns am meisten. 

Wir fragen uns: Wer bin ich denn, dass ich so brillant sein soll?

Aber wer bist du, es nicht zu sein? 

Du bist ein Kind Gottes. 

Es dient der Welt nicht, wenn du dich klein machst. 

Sich klein zu machen, nur damit sich andere um dich herum nicht unsicher fühlen, 

hat nichts Erleuchtetes.

Wir wurden geboren, um die Herrlichkeit Gottes, der in uns ist, zu manifestieren. 

Er ist nicht nur in einigen von uns, er ist in jedem Einzelnen.

Und wenn wir unser Licht scheinen lassen,

geben wir damit unbewusst anderen die Erlaubnis, es auch zu tun. 

Wenn wir von unserer eigenen Angst befreit sind,

befreit unsere Gegenwart automatisch die anderen.

 

aus: Marianne Williamson "A Return To Love"

 


 

Der alte Grossvater und sein kleiner Enkel

 

Es war einmal ein Grossvater, der schon sehr, sehr alt war. Seine Beine gehorchten ihm nicht mehr, die Augen sahen schlecht,

die Ohren hörten nicht mehr viel und Zähne hatte er auch keine mehr. Wenn er ass, floss dem alten Mann die Suppe aus dem Mund.

Der Sohn und die Schwiegertochter liessen ihn deshalb nicht mehr am Tisch essen, sondern brachten ihm sein Essen hinter den Ofen, wo er in seiner Ecke sass.

 

Eines Tages, als man ihm die Suppe in einer Schale hingetragen hatte, liess er die Schale fallen und sie zerbrach.

Die Schwiegertochter machte dem Greis Vorwürfe, dass er ihnen im Haus alles beschädige und das Geschirr zerschlage,

und sagte, dass sie ihm von jetzt an das Essen in einem Holzschüsselchen geben werde.

Der Greis seufzte nur und sagte nichts.

 

Als der Mann und die Frau einige Tage später zu Hause beisammen sassen, sahen sie, dass ihr Söhnchen auf dem Fussboden mit kleinen Brettern spielte und etwas zimmerte. Der Vater fragte ihn: "Was soll das denn werden, Mischa?" Und Mischa antwortete: "Das soll ein Holzschüsselchen werden, Väterchen. Daraus werde ich dir und der Mutter zu essen geben, wenn Ihr alt geworden seid."

 

Der Mann und die Frau sahen sich an und weinten. Ihnen wurde plötzlich bewusst, wie sehr sie den Greis gekränkt hatten und sie schämten sich. Fortan liessen sie ihn wieder am Tisch sitzen und waren freundlich zu ihm.

 Lew Tolstoi

 


 

 

Gibt es ein Leben nach der Geburt? 

 

 Ein ungeborenes Zwillingspärchen unterhält sich im Bauch seiner Mutter.

„Sag mal, glaubst du eigentlich an ein Leben nach der Geburt?” fragt der eine Zwilling.

„Ja auf jeden Fall! Hier drinnen wachsen wir und werden stark für das, was draussen kommen wird.” antwortet der andere Zwilling.

„Ich glaube, das ist Blödsinn!” sagt der erste. „Es kann kein Leben nach der Geburt geben – wie sollte das denn bitteschön aussehen?” „So ganz genau weiss ich das auch nicht. Aber es wird sicher viel heller als hier sein.

Und vielleicht werden wir herumlaufen und mit dem Mund essen?”

„So einen Unsinn habe ich ja noch nie gehört! Mit dem Mund essen, was für eine verrückte Idee. Es gibt doch die Nabelschnur, die uns ernährt. Und wie willst du herumlaufen? Dafür ist die Nabelschnur viel zu kurz.”

„Doch, es geht ganz bestimmt. Es wird eben alles nur ein bisschen anders.”

„Du spinnst! Es ist noch nie einer zurückgekommen von ‘nach der Geburt’. Mit der Geburt ist das Leben zu Ende. Punktum.”

„Ich gebe ja zu, dass keiner weiß, wie das Leben nach der Geburt aussehen wird.

Aber ich weiß, dass wir dann unsere Mutter sehen werden und sie wird für uns sorgen.”

„Mutter??? Du glaubst doch wohl nicht an eine Mutter? Wo ist sie denn bitte?”

„Na hier – überall um uns herum. Wir sind und leben in ihr und durch sie. Ohne sie könnten wir gar nicht sein!”

„Quatsch! Von einer Mutter habe ich noch nie etwas bemerkt, also gibt es sie auch nicht.” „Doch, manchmal, wenn wir ganz still sind, kannst du sie singen hören. Oder spüren, wenn sie unsere Welt streichelt …”

Ist es nicht genau das, was wir über das Leben nach dem Leben wissen?

Ist diese Synchronizität zufällig?

 

Henri J. M. Nouwen (niederländ. röm.-kathol. Priester, Theologe, Psychologe,  geistlicher Schriftsteller, 1932-1996)

 


 

Das Einmachglas der Prioritäten

 

Vor einigen Jahren erteilte ein Professor einer sehr renommierten US-Handelshochschule seinen Studenten eine höchst aufschlussreiche Lektion in Sachen Volkswirtschaft. Ohne ihnen zu erklären, was er vorhatte, stellte er ein grosses Einmachglas auf seinen Tisch. Dann zog er eine Tüte voller Steine hervor und legte einen nach dem anderen in das Glas, bis keiner mehr hineinpasste. „Ist das Glas jetzt voll?“, fragte er seine Studenten. „Ja“, antworteten sie.

Lächelnd zog der Professor eine zweite Tüte unter seinem Schreibtisch hervor. Darin befanden sich lauter Kieselsteine. Er schüttete auch die kleinen Steinchen ins Glas, und sie verteilten sich in den Zwischenräumen der grossen Steine. Ein zweites Mal fragte er seine Studenten, ob das Glas denn jetzt voll sei. „Nein“, antworteten sie, langsam begreifend. Sie hatten natürlich Recht, denn der Professor hatte noch eine dritte Tüte voller feinem Sand, der auch noch in das Glas passte. „Ist das Glas jetzt voll?“, fragte er zum dritten Mal. „Wie wir Sie kennen, wahrscheinlich nicht“, erwiderten die Studenten.

Lächelnd ergriff der Professor einen Krug und goss Wasser in das Glas. Als es wirklich voll war, wandte er sich an seine Studenten und fragte: „Was lehrt euch das?“ Eifrig meldete sich ein Student zu Wort und sagte: „Ganz gleich, wie eng der Zeitplan auch sein mag, man kann immer noch mehr hineinpressen.“ Schließlich studierte er an einer berühmten Handelshochschule. „Nein!“, donnerte der Professor. „Dies beweist etwas ganz anderes: Wenn man grosse Steine hineintun möchte, sollte man das als Allererstes tun.“

Es war eine Lektion über Prioritäten.

 

aus: Ajahn Brahm, Die Kuh, die weinte. Buddhistische Weisheiten über den Weg ins Glück

 


 

Wo gibt es genug Leder, 

um die ganze Erdoberfläche zu bedecken?

Einfach nur Leder an den Fusssohlen zu haben ist das gleiche, wie die ganze Erde zu bedecken.

Genauso wenig ist es möglich, alle äusseren Begebenheiten zu kontrollieren;

Wenn ich aber einfach meinen Geist kontrolliere, wozu ist es dann nötig, andere Dinge zu kontrollieren?

 

(Shantideva, Leitfaden für die Lebensweise eines Bodhisattvas)

 


 

Der alte Mann und sein Pferd

 

Es war einmal ein alter Mann, dessen grosses Talent die Pferdezucht war.

Eines Tages entdeckte er, dass sein bestes Pferd ausgebrochen und auch nach tagelanger Suche nicht mehr aufzufinden war.

Seinem Nachbarn tat das sehr leid. Der alte Mann aber sagte nur: "Wer weiss, vielleicht ist das ein Glück?" 

Einige Monate später kehrte das verlorene Pferd zurück und brachte ein anderes schönes Pferd mit.

Die Nachbarn kamen, um dem alten Mann zu seinem Glück zu gratulieren.

Aber der alte Mann sagte: "Wer weiss, vielleicht bringt das Unglück?" 

Sein Sohn hatte grosse Freude, auf dem schönen Pferd zu reiten.

Eines Tages aber fiel er herunter, brach sich beide Beine und war fortan gelähmt.

Die Nachbarn kamen, um den alten Mann zu trösten.

Er entgegnete: "Wer weiss, vielleicht ist das ein Glück?" 

Ein Jahr später begann das Nachbarland einen Krieg und alle jungen Männer wurden eingezogen,

um im Krieg zu kämpfen - acht von zehn fielen im Kampf.

Der gelähmte Sohn blieb zu Hause und blieb so am Leben. 

 

Basierend auf einer Geschichte aus dem alten China. 

 


 

"Es war einmal vor mehr als 2.000 Jahren ein Volk,

das im Paradies lebte.

Diese Menschen glaubten,

dass alles lebe, fühle, sich entwickle und unsterblich sei.

Sie glaubten, sie seien Kinder des Nachtregenbogens,

des violetten Rings um den Vollmond am schwarzen Nachthimmel.

Sie lebten nicht getrennt vom Universum,

sondern betrachteten sich als unendlich

sich entwickelnde Manifestation der Energie (mana)

eines lebendigen Universums.

Es gab keinen Tod für sie nur Übergänge zu  verschiedenen,

sich entfaltenden Verkörperungen

der pulsierenden Energie und Information,

die ihr Geist und ihre Seele darstellten.

Sie genossen das Vertrauen darauf,

dass ihr Bewusstsein nicht nur über den Tod hinaus existiere,

sondern sich auch für immer weiterentwickle.

Und sie fühlten sich zutiefst verantwortlich und zuständige

für ihre Aufgabe bei der Entwicklung universeller,

lebendiger Erinnerungen.

Jeder Gesang, jeder Hula-Tanz und jedes Gebet (pule) zeigt ihr Vertrauen,

dass sie selbst und alles und jeder von ihnen Geliebte

für immer energetisch verbunden und lebendig seien und sich entwickelten.

Diese paradiesische Volk waren die Hawaiianer und die anderen Bewohner der polynesischen Inseln."

 

Dr. Paul Pearsall im Vorwort zu Schwartz/Russek: Alles erinnert